Von Sakaiminato an der Westküste Japans fahre ich mit der Bahn erst nach Matsue, um meinen Japan Rail Pass für die nächsten drei Wochen einzulösen. Dann reise ich weitere eineinhalb Stunden nach Tottori, ebenfalls am Japanischen Meer gelegen, weiter. Dort darf ich die nächsten zwei Tage im Haus von Anne und Akio verbringen. Ich habe die beiden über Couchsurfing kennen gelernt. Bisher habe ich Couchsurfing nur als Host genutzt, also Reisende bei mir untergebracht oder ihnen die Stadt gezeigt.
Zum ersten Mal darf ich nun Gast in einem fremden Haushalt sein. Anne stammt ursprünglich aus Oberbayern und ist seit kurzem mit Akio verheiratet. Praktisch, so können wir manches auch in deutscher Sprache regeln. Beide leben nun in Tottori.
Anne holt mich am Bahnhof in Tottori ab. Auch zwei italienische Couchsurferinnen, Laura und Susanne, werden die nächsten zwei Tage bei Anne und Akio verbringen.
Inhalt:
Um 16 Uhr steigen wir ins Taxi ein
Gerade als wir am Bahnhofsvorplatz unser Gepäck im Taxi verstauen, ist es 16 Uhr. Zeit für das “16-Uhr-Blick-in-die-Welt-Foto”.
Aktueller Stand um 16 Uhr:
Ort: Bahnhofsvorplatz von Tottori
Präfektur: Tottori
Land: Japan
Wetter: heiß, ca. 30 Grad, und sehr schwül, Sonne.
Zeitverschiebung:
Zur Mitteleuropäischen Sommerzeit in Deutschland, Österreich und der Schweiz beträgt der Zeitunterschied + 7 Stunden. Steht in Tottori die Uhr auf 16 Uhr ist es in Mitteleuropa erst 9 Uhr. In Japan gibt es keine Sommerzeit.
Japanische Haus-Sitten
Vieles ist für Europäer neu, wenn wir zum ersten Mal einen japanischen Haushalt betreten. Die meisten Regeln gelten übrigens auch für ein Ryokan, also eine traditionelle, japanische Pension, oder auch für manche traditionelle Restaurants.
Beim Betreten des Hauses oder der Wohnung werden die Straßenschuhe im Eingangsbereich vor einer großen Stufe abgestellt. Im Haushalt bewegt man sich barfuß oder in – für europäische Füße meist zu kleinen – Hausschuhen. Die mit Tatami-Matten ausgelegten Schlafräume werden ohne Schuhe betreten. Geschlafen wird auf einem Futon, der direkt auf den Tatami-Matten ausgebreitet wird. Die Schlafräume sind häufig nur mit Reispapier bespannten Türen abgetrennt. Apropos Türen: Großgewachsene Menschen sei zur Vorsicht geraten: Die Türdurchlässe sind nur 180 cm hoch. Auch Lampenschirme hängen für europäische Verhältnisse sehr niedrig.
Für die Benützung der Toilette stehen nochmals spezielle WC-Slipper bereit, die nur dort benützt werden.
Im Wohnzimmer wird am Boden Platz genommen. Männer dürfen traditionell die Beine überkreuzen, also im “Schneidersitz” Platz nehmen. Frauen nehmen kniend oder schräg kniend Platz. Nachdem ich sowieso schon Schwierigkeiten mit der Koordination meiner langen Beine habe bin ich froh, zu den “Schneidersitzern” zu gehören. Die Beine schlafen mir trotzdem nach wenigen Minuten ein und ich suche eine Wand, an die ich mich anlehnen kann. In manchen Räumen gibt es auch – wie in Europa übliche – Stühle.
Japanischer Abend
Nachdem wir uns etwas näher kennen gelernt haben, entführen uns Anne und Akio ins Stadtzentrum von Tottori zum Essen. Nach dem bereits bekannten Schuhwechsel-Ritual am Eingang zum Restaurant werden wir in einen mit Schiebetüren abgetrennten Bereich gebracht. Bei jeder Bestellung wird der oder die KellnerIn mit einer Tischklingel gerufen.
Das Lokal ist auf kleine Speisen, die gemeinsam verzehrt werden können, spezialisiert. So haben wir die Möglichkeit, uns genussvoll quer durch die japanische Küche zu kosten. Vor dem Essen bekommt man traditionell ein O-shibori gereicht. Mit diesem kleinen, feuchten Tüchlein werden die Hände gereinigt.
Dann kommen die Leckereien auf den Tisch. Angefangen von bekannten Sushi über Tempura (frittiertes Gemüse und Meeresfrüchte) und Yakitori (Spießchen) bis hin zu in eine Wasabimarinade eingelegten Tintenfischen ist alles dabei. Auch das Auge isst mit und ist genauso begeistert wie der Magen. Auf den Spießchen können die verschiedensten Leckereien aufgespießt werden. Schon mal jemand gegrillte Hühnerhaut am Spiel probiert? Superlecker!
Dann geht’s in die Bar
Nach dem Essen machen wir noch einen Abstecher in die Stammkneipe von Akio. Dort sind wir anscheinend beliebte und ungewohnte “Langnasen”-Gäste Regelmäßig kommen auch andere Barbesucher auf ein oder mehrere Getränke an unser Tisch(chen). Aus dem kurzen “Abstecher” wird ein lustiger Abend, der bis spät in die Nacht dauert. Anne hat ein paar Erinnerungsfotos zu späterer Stunde geschossen. ;-)
Neben dem “Nationalgetränk” Sake werden auch Bier und Wein und verschiedene kleine Speisen serviert. Besonders im Gedächtnis bleibt mir die “Japanische Pizza” die nicht mal im Geringsten wie eine Pizza aussieht.
Trotz Sprachbarriere verstehen sich alle bestens. Sind Japaner sonst eher als ruhige Menschen bekannt, zeigen sie in alkoholhaltiger Umgebung ihre lustige und laute Seite. Man kann sich vorstellen, dass zwei Italienerinnen, eine Bayerin und ein Österreicher da gut dazu passen.
Ich möchte mich an dieser Stelle nochmals ganz herzlich bei Anne und Akio bedanken. Ohne Euch hätte ich solch tolle, nahe Erlebnisse mit der Japanischen Alltagskultur nicht gehabt.
Die kommende Nacht kommenden Morgen werde ich hier verbringen:
Bei Anne und Akio in Tottori.
Mac_BetH says
Hey Gerry,
du siehst aber wirklich schön entspannt aus! Also ist der Urlaub doch sehr angenehm!
Das freut mich für dich! Nach den ganzen Erzählungen im Zug in dem Schlafmangel habe ich mir schon ein wenig Sorgen gemacht!
Aber hey, so kann man sich irren!
Go foward! ;-)
Andersreisender says
@Matthias: Jaaa…bei Anne war alles super entspannt! Ein tolles Erlebnis, das ich nicht missen möchte!
Daniela says
Hallo Gerhard,
Dein Bericht hat mich sehr an meine eigene Reise durch Japan erinnert – diese vielen kulturellen Unterschiede (und ehrlich gesagt oftmals das Gefühl, manche Feinheiten unbewusst falsch zu machen). Ich fand es allerdings sehr schwierig, Japaner kennen zu lernen – die noch immer existierende Sprachbarriere, grad wenn man außerhalb der Zentren unterwegs ist – und ich hatte oft das Gefühl, das das Interesse an Europäern nicht ganz so groß ist. Wie waren Deine übrigen Erfahrungen?
Viele Grüße
Daniela
Andersreisender says
Danke, Daniela, für Deine Erfahrungen. Die decken sich durchaus auch mit meinen. Japaner sind doch eher zurückgezogen und nicht so offen wie z.B. die Menschne in Südostasien. Hier findest Du übrigens alle meine Japan-Erfahrungen und Reiseberichte in gebündelter Form.
Daniela says
Mit großem Interesse gelesen – Du hattest mit dem Fuji San noch mehr Glück als ich – bei mir war er komplett verhangen
Andersreisender says
Ja, der Fuji San ist – vor allem im Sommer – ein ziemlich g’schamiger Vulkan. ;-)