Wenn von Hochgeschwindigkeitszügen die Rede ist, so denkt man als erstes an den ICE in Deutschland, den TGV in Frankreich oder den Shinkansen in Japan. In China sind Super-Schnellzüge allerdings im Regelbetrieb schneller unterwegs, als in all den vorgenannten Ländern. Unter dem Namen CRH (China Railway High-speed) fahren Bahnen auf Gleisen mit Geschwindigkeiten von bis zu 350 km/h. Am Ausbau des Streckennetzes wird im ganzen Land gearbeitet. Bald soll ein Netz von Hochgeschwindigkeitsstrecken China überspannen und Hochgeschwindigkeitszüge werden die wichtigsten Großstädte verbinden.
Inhalt:
Der schnellste Intercity der Welt
Vor zwei Jahren sorgte China bereits mit dem “Schnellsten Intercity der Welt” zwischen der Hauptstadt Peking und Tianjin für Schlagzeilen. Die Reise zwischen den beiden 117 Kilometer entfernten Städten betrug nur noch 30 Minuten, die Züge fuhren mit der höchsten Durchschnittsgeschwindigkeit der Welt.
968 Kilometer in drei Stunden und 16 Minuten
Doch der Geschwindigkeitsrekord wurde im eigenen Land getoppt. Auf der Neubaustrecke zwischen Wuhan und Guangzhou (Kanton) sind die Züge mit bis zu 350 km/h unterwegs. In den neuen Hochgeschwindigkeitszügen dauert die 1.069 Kilometer lange Fahrt mit einem Zwischenstopp in Changsha im CRH nur noch 196 Minuten. Das entspricht einer durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit von 296 Stundenkilometern.
Mit 350 Stundenkilometer in den Süden
Im Hochgeschwindigkeitszug China zu bereisen kann ich mir – wenn ich schon mal in diesem Land bin – nicht entgehen lassen. Mit dem schnellsten Zug der Welt auf normalen Gleisen (Die Magnetschwebebahn Meglev – Transrapid in Shanghai ist schneller) dauert die Reise mit dem G1001 von Changsha nach Guangzhou 2 Stunden und 3 Minuten. Da lohnt es sich kaum, sich zu setzen. ;-)
Neue Strecken – neue Bahnhöfe
Mit den alten chinesischen Bahnhöfen in den Stadtzentren haben die neuen Haltepunkte der High-Speed-Züge nur wenig gemein. Helle Neubauten empfangen den Fahrgast. Das Gepäck wird – wie bei allen Bahnfahrten in China – beim Betreten des Gebäudes durchleuchtet. Auch die Fahrgäste müssen zum Sicherheitscheck.
Die Wartebereiche wirken für Europäer etwas überdimensioniert, sind aber bei der großen Menschenmenge notwendig und wahrscheinlich bei Vollauslastung noch immer zu klein.
Etwas unpraktisch ist, dass die neuen Bahnhöfe oft weit außerhalb der Stadt liegen und die Verknüpfung zu anderen Bahnhöfen noch ungenügend ist. In Changsha dauert die Fahrt mit dem Bus vom Hauptbahnhof nach Changsha South Station eine dreiviertel Stunde. Vom Bahnhof Guangzhou Süd nach Guangzhou Hauptbahnhof oder East Station sind rund 60 Minuten Fahrzeit mit der Metro einzuplanen. Ab Guangzhou East fahren zB. die Hochgeschwindigkeitszüge nach Shenzhen bzw. der direkte Zug von China nach Hongkong ab.
Am Bahnsteig
Etwa 10 Minuten vor der Einfahrt des Zuges beginnt die Abfertigung über ein spezielles Gate, die Fahrgäste betreten den Bahnsteig. Wie auch in Japan ist der Einstiegsbereich und die jeweilige Waggonnummer am Boden markiert, auch wenn bei meiner Fahrt mit dem CRH der Zug nicht exakt bei der Markierung stehen bleibt. Nachdem nur Fahrkarten inklusive Sitzplatz-Reservierung verkauft werden fällt auch das Drängen und Schubsen beim Einsteigen weg.
Flugzeug-Feeling im Zug
Auf den chinesischen Hochgeschwindigkeitsstrecken sind u.a. Züge von Siemens (ICE), Bombadier, Alstom (Pendolino) und die Shinkansen-Züge aus Japan unterwegs. Meine Fahrt von Changsha nach Guangzhou verläuft sehr entspannt. Die Züge haben extrem ruhige Fahreigenschaften auch bei Geschwindigkeiten jenseits der 300 km/h.
Mit bis zu 346 km/h sausen wir entlang von Reisfeldern und Dörfer und durch viele Tunnels Richtung Süden und bleiben damit 4 km/h unter der offiziellen Maximalgeschwindigkeit.
Unterschiede im Service
Während in den “langsamen” Fernverkehrszügen in China in der Regel auch Liege- und Schlafwagenplätze verfügbar sind, gibt es diese in den CRH-Zügen nicht. Auch die Preise für Getränke und Speisen im Restaurant und vom Service-Wagen sind erheblich höher als in den langsameren Zügen. Besonders angenehm: Es gibt keine ständige Beschallung mit Musik, wie sonst in den chinesischen Langstreckenzügen üblich.
Weitere Hochgeschwindigkeitsstrecken
Die Strecke Wuhan – Guangzhou ist nur ein Teil der geplanten 2.100 Kilometer langen Hochgeschwindigkeitsstrecke von Peking über Shijiazhuang und Wuhan nach Guangzhou. Sie soll 2012 fertiggestellt werden. Mit bis zu 250 km/h fahren Züge zB. schon jetzt zwischen Chengdu und Chongqing und auch zwischen Wuhan und Shanghai. Das Chinesische Hochgeschwindigkeitsnetz ist 7.055 Kilometer lang (Stand Oktober 2010). Bis 2020 sollen in China Hochgeschwindigkeitszüge auf 16.000 Bahnkilometern unterwegs sein. Einen ausführlichen und interessanten Artikel über vergangene und zukünftige Entwicklungen gibt es übrigens in der englischen Wikipedia.
Highspeed oder Abenteuer?
Fahrten im Hochgeschwindigkeitszug sind eine tolle Sache. Allerdings macht es wenig unterschied, ob ich nun in China, Japan oder Deutschland mit Highspeed unterwegs bin. Auch die Züge werden von internationalen Unternehmen gefertigt. Die Triebwägen von Siemens fahren in Deutschland als ICE und in China in leichter Abwandlung als CRH. Teile werden manchmal von regionalen Zulieferern verwendet.
In einer globalisierten Welt wird alles austauschbar, die Individualität und das Eisenbahn-Abenteuer gehen verloren. Auch wenn “normale” Schnellzüge für 1.000 Kilometer eine ganze Nacht brauchen, das Reise-Erlebnis im Schlafwagen China zu bereisen ist um einiges größer.
Reisetipps:
Changsha Hauptbahnhof nach Changsha South Station:
Bus 135, hält seitlich vom Hauptbahnhof (Durchgang benützen)
Fahrzeit ca. 45 Minuten, Fahrpreis 1 Yuan
Guangzhou South Station zu Guangzhou East Station:
Metro Linie 2 von Guangzhou South Station bis Gongyuangqian
umsteigen in Metro Linie 1 bis Guangzhou East
Fahrzeit ca. 60 Minuten, Fahrpreis: 6 Yuan
In Guangzhou East Anschluss an den Guangzhou-Kowloon-Express (Direker Zug von China nach Hongkong) oder zu den Zügen nach Shenzhen (Grenzort zu Hongkong).
happy-buddha says
Was kostet eigentlich die Fahrt mit dem CRH ?
Andersreisender says
@happy-buddha: Der Fahrpreis für die Strecke Changsha – Guangzhou beträgt für den CRH 333 Yuan, knapp 40 Euro (Hard Seater, also 2. Klasse). Die Strecke wird im Fahrplan mit 707 Tarifkilometer angegeben, die stimmen aber mit den tatsächlichen Kilometern nicht ganz zusammen. Zugfahren ist in China noch eine sehr preisgünstige Angelegenheit.
happy-buddha says
@Andersreisender Ja !!! Hier würde man mehr bezahlen.
Skatze says
Cool, habe heut gerade nen Beitra gelesen, dass der CRH380 auf 420 Kilometern pro Stunde gekommen ist.
Wahrlich verdammt schnelle Angelegenheit :)
Andersreisender says
@happy-buddha: Ja, leider viel mehr. :-( Ich denke nur an meine letzte Fahrt mit dem ICE.
@Skatze: Es gibt immer wieder neue Geschwindigkeitsrekorde in China und auch in anderen Ländern. Der TGV hat ja schon auf 574,8 km/h beschleunigt, aber halt nur im Test und ohne Passagiere.
Vielleicht habe ich das im Beitrag nicht ganz genau geschrieben – mit “Schnellster Zug der Welt” meinte ich in dem Fall den schnellsten Zug der Welt, der im Regelbetrieb mit Passagieren an Bord unterwegs ist.
Andersreisender says
@Skatze: Nun muß ich meinen Kommentar scheinbar nochmals revidieren, da ich eben auch die Meldung über den CRH 380 Zug auf der Strecke Shanghai – Huangzhou gelesen habe. Anscheinend dürften die 420 km/h doch im Regelbetrieb gefahren werden, da von einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 350 Stundenkilometern geschrieben wird.
Hmmm…schade, wenn mein Artikel über die Fahrt mit dem schnellsten Zug der Welt innerhalb eines Tages schon wieder alt ist. :-( Für Hochgeschwindigkeitszüge wird anscheinend ein Geschwindigkeitsrekord nach dem anderen aufgestellt…
walter_parsch says
Hi gerd
Wahnsinn was da von dir zu lesen ist. wir sind einfach nur beeindruckt und vor allem neidisch was du alles erleben darfst.Was du alles gesehen und erlebt hast……unglaublich!!Wir freuen uns einfach nur drauf wenn du wieder da bist und alles ganz genau erzählst. GERD RULES!!!!!!!!!!Walter und Andi
Skatze says
@ Andersreisender
Ja wo ist das heutzutage nicht so. Kauf ich mir heute den neusten und schnellsten rechner, ist er morgen wieder ne lahme Krücke :)
Trotzdem, wie walter_parsch schon sagt, kann ziemlich neidisch auf dich sein ;)
Lieben Gruß und viel Spaß noch.
Timo says
Ohje^^
Das würde ich aber auch gern mal mitmachen… aber in einem Auto =D Wobei .. der Zug fährt bestimmt relativ ruhig?
Wie cool :)
LG
Timo
Andersreisender says
@Walter und Andi: Ich freu’ mich von Euch zu lesen und dass Ihr immer so begeistert “virtuell” mit auf Reisen dabei seid :-) Natürlich wird zu Hause dann alles im Detail erzählt! Liebe Grüße!
@Skatze: Alles immer schneller und immer noch besser. Aber letzten Endes muss ich ehrlich sagen, dass die alten Züge einfach mehr Charme haben. Das ist halt noch Reisen. :-)
@Timo: Hmm…ich weiß gar nicht, wo die Geschwindigkeitsrekorde für Autos so liegen. Habe da mal einen Bericht über Tests in einer Salzwüste gesehen. Der Zug gleitet sanft dahin, es gibt nur minimale Bewegungen. Faszinierend!
Skatze says
Nostalgie ist eben immer noch das schönste ;)
Andersreisender says
@Skatze: Ja – das hat was :-)
Marcus Buchholz says
Hallo zusammen,
bin gerade von einer zweiwöchigen China-Reise zurückgekehrt.
Was da so über die Hochgeschwindigkeitszüge berichtet wird, kann ich nur bestätigen. Von Shanghai aus haben wir einen Tagesausflug nach Hangzhou gemacht. Einfach irre, wie der CRH aus japanischer Produktion auf 357km/h beschleunigt und bei der Geschindigkeit auch noch superruhig fährt, ruhiger als ein deutscher IC bei 200! Bald wird es auch von Beijing nach Shanghai mit 350 über die neue Strecke losgehen. Der Gleisbau wurde laut China Daily am 16.11.2010 abgeschlossen.
Andersreisender says
@Marcus: Willkommen im Andersreisen-Blog! So wie es aussieht, bist Du dann schon auf der neuen Trasse nach Hangzhou gefahren. Bezüglich der extremen Laufruhe der CRH Züge kann ich Dir voll beipflichten. Keine Ahnung, ob sich das mit den Jahren ändert?