Ich hänge mit den Gedanken noch der viertägigen Jangtse-Kreuzfahrt nach als ich bereits im Bus von Yichang nach Wuhan sitze. Die Millionenstadt (was sonst in China) Wuhan ist nur mein Zwischenhalt für eine Nacht, um dann weiter nach Xishui zu Gao und seiner Familie zu fahren. Ich lernte den chinesischen Student auf der Fähre von Japan nach China kennen und wir haben dann einige Tage gemeinsam in Qingdao verbracht und auch das Oktoberfest in China besucht. Nun bin ich zu einem Besuch bei ihm und seiner Familie in der Stadt Xishui in der Nähe von Wuhan eingeladen. Allein über die Fahrt dorthin könnte ich Bücher füllen…
Inhalt:
Busticket und Chinesisches Handy
Nach einer Nacht im “Motel 168”, ein billiges Hotel in Wuhan, besorge ich mir ein Busticket nach Xishui für den Bus am frühen Abend. Ich wurde gebeten wegen des Mittherbst-Festes erst gegen 20 oder 21 Uhr anzureisen. An diesem Tag trifft sich die Verwandtschaft und verbringt einen ruhigen Tag miteinander. Traditionell verschenkt man zum Mittherbst-Fest kleine “Mondkuchen” an Freunde und Verwandte. Ich decke mich im Supermarkt mit diesen süßen Mitbringsel ein.
Auch eine chinesische SIM-Karte fürs Handy wird gekauft. Mein – manchmal nicht einfaches – Reiseleben hier in China sollte sich damit vereinfachen. Auch Gao kann ich so per Telefon Bescheid geben, wann mein Bus in Xishui ankommt.
Oder sollte ich besser sagen “könnte ich Bescheid geben”, würden die von ihm bekanntgegebenen Telefonnummern stimmen. Wie schon in den letzten Tagen an anderen Orten machen mir Schlampigkeiten das Leben schwer. Über den Internet-Terminal im Hotel kann ich Gao noch schnell eine E-Mail mit meiner Ankunftszeit senden. Ich hoffe sie kommt an und er liest sie rechtzeitig.
Busfahrt im Regen
Die regionalen Busse sind bei weitem nicht so bequem wie die chinesischen Fernbusse. Um 17 Uhr starte ich vom Busbahnhof in Wuhan in einem alten Bus Richtung Xishui. Die Sitzplätze sind mit Kunstleder bezogen, von Beinfreiheit kann keine Rede sein. Gottseidank ist der Bus nicht voll besetzt und ich kann meine Beine Richtung Gang strecken. Drei massive Blecheimer sind dort als kombinierte Spucknäpfe, Aschenbecher und Mülleimer aufgestellt.
Trotzdem liegt mehr Müll neben als in den Eimern. Vor allem Sunnenblumenkernschalen-Häufchen verraten die Knabbervorlieben der Chinesen. Auch in einem “Raucherbus” zu fahren ist für mich eine neue, nebelige Erfahrung.
Temperatursturz
Der Scheibenwischer hat heute viel Arbeit. Es regnet. Im Bus sind die Fenster beschlagen und geben nur einen eingeschränkten Blick in die chinesische Nacht frei. Es hat extrem abgekühlt. Die Temperatur fiel in den letzten Stunden von knapp 40 auf 18 Grad, begleitet von Sturm und Regen. Das sind die Ausläufer eines Taifuns, der die chinesische Küste entlang zog.
Wir verlassen die Stadt Wuhan mit ihrem intensiven Verkehr in der Rush-Hour. Über die Autobahn geht es Richtung “Land”. Immer wieder halten wir kurz an Kontrollpunkten, an denen eine uniformierte Dame die Anzahl der Fahrgäste überprüft. Ich vermute, es gibt hier immer wieder “Schwarzfahrer”, die statt des Tickets dem Buschauffeur nur ein Trinkgeld zum Mitfahren zahlen. Das soll mit den Kontrollen unterbunden werden.
Keine Karaoke-Videos und Kriegsfilme
Ich bin froh, dass die Fahrgäste fast alle schlafen. So herrscht Ruhe im Bus. Normalerweise laufen im “Bordfernsehen” lautstarke Karaoke-Videos oder nervzerreißende Kriegsfilme. Heute höre ich nur das – ebenfalls nicht gerade leise – Geräusch des Motors. Auch der junge Mann schläft, der mir eigentlich sagen sollte, wann ich aussteigen muss.
Schlaglöcher
Aber noch sind wir nicht in Xishui. Rund zweieinhalb Stunden Fahrzeit wurde mir prophezeit. Wir haben die Autobahn verlassen und auch die Straße wird immer schlechter. Ein Schlagloch neben dem anderen. Wir fahren nur noch mit Schrittgeschwindigkeit, da mehr Schlaglöcher als intakter Asphalt das Straßenbild bestimmen. Damit hätte so mancher Kommunalpolitiker seine Freude.
Trotzdem gibt es noch immer Fahrzeuge die langsamer als der Bus sind und überholt werden können. Sperrlinien sind eigentlich meist nur dekoratives Beiwerk einer Straße – daran hält sich niemand. Ebensowenig wie an Hupverbote oder das Rechtsfahrgebot. Die linke Spur ist die beliebteste Fahrbahn. Und wenn beim Überholen dort kein Platz gemacht wird, überholt man einfach noch weiter links oder auf der rechten Seite. Notfalls muss der Gehsteig zum Vorbeifahren herhalten.
Dann entdecke ich die chinesischen Symbole für “Xishui” auf einem Wegweiser – noch drei Kilometer bis zu meinem Ziel.
Noch mehr Regen
Am Busbahnhof steige ich aus. Finstere Nacht, es regnet. Zwei Taxifahrer reden auf mich ein und wollen mich “wo hin” bringen. Sie verstehen nicht, dass ich hier auf jemanden warten will. Die Straße ist menschenleer – kein Gao in Sicht. Ich beschließe im Restaurant neben dem Busbahnhof eine Kleinigkeit zu essen und dort zu warten.
Wenige Sekunden nach dem Betreten werde ich schon von fünf Gästen umschwärmt. Sie reden auf mich ein – natürlich auf Chinesisch. Ich verstehe kein Wort. Aufregung im Lokal, was diese “Langnase” hier in der Provinz macht. Aber es herrscht auch Freude über den fremden Besucher. Sofort wird mir ein kleiner Junge aufs Knie gesetzt. Nun sind die obligatorischen Ausländer-Fotos dran.
Zeitschinden im Restaurant
Nach dem Essen und einem Tsingtau-Bier läutet endlich mein Telefon. Gao ist dran und entschuldigt sich für die falschen Telefonnummern. Nun sei die Nummer seines Bruders die aktuelle. Er will in fünfzehn Minuten hier sein.
Dann kann endlich auch den interessierten, chinesischen Gästen im Restaurant erklärt werden, warum ich hier bin. Es wird noch mit einem weiteren Tsingtao-Bier angestoßen. “Ganbei” – Trockne das Glas!
happy-buddha says
Der Eintrag weckt die Reiselust :)
Gretl says
Lieber Gerhard!
Ich bin noch immer da…letzte Woche im Amt und Deinen Hinweis über die Freude des Kommunalpolitikers über die Schlaglöcher hab ich nicht überlesen:-)! Sehr spannend, weiter so!
Liebste Grüße,
GRETL
Andersreisender says
@happby-buddah: Freut mich, dass Dir der Beitrag gefällt!
@Gretl: Na, bei Dir tut sich ja auch einiges. Ich wünsche Dir alles Gute – wir bleiben ja trotzdem in Kontakt. Mal sehen ob ich noch weitere Städte mit vielen Schlaglöchern finde und wie Politiker hier so damit umgehen. ;-)
happy-buddha says
Sollte ich jemals im Lotto gewinnen… ;) Dann gibt es eine Weltreise.
Andersreisender says
@happy-buddah: Dann drücke ich Dir ganz fest die Daumen. Aber fleißig spielen, gell?
happy-buddha says
@Andersreisender Okidoki !
Andersreisender says
@happy-buddha: Und? Beim Mittwochslotto gewonnen? ;-)
happy-buddha says
@Andersreisender Nein :O)