2 Stunden und 17 Minuten. So lange dauert meine Fahrt per Bahn von Paris nach London. Seit 1994 fahren die “Eurostar” Züge durch den Eurotunnel und verbinden in rekordverdächtiger Geschwindigkeit die Französische und Britische Hauptstadt.
Wie fühlt sich die Fahrt bei rund 300 Stundenkilometer an und was ist bei der Reise mit dem Eurostar zu beachten? Hier mein Reisebericht.
Inhalt:
Zum Thema Coronavirus beachte bitte die regelmäßig aktualisierten Informationen im Beitrag Per Bahn nach London reisen.
Für die Reise von Paris nach London ist Gare du Nord der richtige Startbahnhof. Hinter der prunkvollen Fassade befindet sich eine riesige Bahnhofshalle.
Kurz vor 18 Uhr suche ich dort meinen Zug auf der Abfahrtstafel. Die Anzeige beginnt zu rattern, nach und nach werden die Zugverbindungen aktualisiert und neue Buchstabenkombinationen erscheinen.
“18.43 – London St. Pancras Int. – Hall Londres” rückt auf der Tafel um einige Positionen nach oben. Es wird Zeit für den Check in. Laut Information am Fahrschein sollte dafür mindestens 3o Minuten vor Abfahrt begonnen werden.
Extra Abfahrtshalle
Der Zugang zu den Eurostar-Zügen befindet sich am Bahnhof Gare du Nord im ersten Stock. Vor der ersten Ticketkontrolle muss ich mich nun auch von Sigi verabschieden, mit ihm bin ich im TGV nach Paris gefahren.
Während der Fahrt hat er mir wichtige Tipps zum Umsteigen zwischen den Pariser Bahnhöfen gegeben, aber in seiner fachkundigen Begleitung konnte ich mich ja ohnedies nicht verirren.
Dann wird es Zeit den Reisepass oder einen Personalausweis heraus zu kramen. Großbritannien ist nur teilweise dem Schengen-Abkommen beigetreten und kontrolliert bei der Einreise weiterhin die Reisedokumente.
Einreiseformalitäten für Großbritannien
Also zuerst Ausreise aus der “Kontinental EU”, wenige Meter weiter drücken Britische Grenzbeamte ihren Stempel in die Pässe.
Weiter geht’s mit einem vom Flughafen bekannten Sicherheits-Check. Das Gepäck wird gescannt, vor dem durchschreiten des Detektors sollten alle metallenen Gegenstände aus Hosentaschen und Co. entfernt werden.
Dann ist die Bürokratie erledigt und in der Wartehalle bieten Shops und Gastronomiebetriebe allerlei zum Zeitvertreib bis zur Abfahrt.
Ca. 20 Minuten vor der Abfahrt meines Zuges ist das Tor zum Bahnsteig bereits geöffnet. Tickets werden hier nochmals kontrolliert, versehentlich in den falschen Zug zu steigen ist damit ausgeschlossen.
18 Waggons hat mein bereitgestellter Zug und ist insgesamt 394 Meter lang. Das dauert seine Zeit bis ich vom Rollband hinunter zum Bahnsteig den Waggon Nummer 1 an der Spitze des Zuges erreiche.
793 andere Passagiere können gemeinsam mit mir durch den Eurotunnel nach London reisen. Tickets für den Eurostar werden nur mit Sitzplatzreservierung verkauft, Stehplätze gibt es also keine. Du erhältst die Tickets für den Eurostar z.B. bei der SNCF (z.B. für Fahrten ab Frankreich)* oder auch bei der Deutschen Bahn (Tipp: London Spezial)*.
Mit 300 km/h Richtung Eurotunnel
Pünktlich um 18:43 Uhr setzt sich mein Zug in Bewegung und verlässt Paris. Bis zu 300 km/h zeigt die Tachonadel des Hochgeschwindigkeitszugs auf der Fahrt durch den Norden Frankreichs an.
Fliegen auf Rädern könnte man das Gefühl bei der Hochgeschwindigkeitsfahrt beschreiben, die Geschwindigkeit ist nur beim Blick aus dem Fenster wahrzunehmen.
Zwischen den sanften Hügeln und ausgedehnten Feldern Nordfrankreichs lässt es sich gut Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnstrecken bauen. Die Eurostar-Züge sind übrigens eine Abwandlung der französischen TGV-Züge.
Beim Innendesign ist das aber nicht erkennbar. Statt der farbenfrohen Sitzbezüge zeigt sich mein Eurostar-Zug überraschend langweilig “grau in grau”.
Mein Rucksack liegt im Gepäckrack im Eingangsbereich, dort ist die Ablage von großen Gepäckstücken vorgegeben. Viel Platz bietet auch die Gepäckablage über den Sitzen.
Kofferanhänger Vorschrift
Übrigens: Jedes Gepäckstück muss mit einem gut lesbaren Kofferanhänger versehen sein. Ein Namensschild auf Rucksäcken und Koffer ist im Eurostar Vorschrift.
Mit meinen langen Beinen kommt mir der Sitzabstand relativ gering vor, Technik-Junkies vermissen einen Stromstecker.
Zur Kanal-Durchquerung beschließe ich den Bistro-Waggon zu besuchen, 50 Kilometer ist der Tunnel zwischen Frankreich und Großbritannien lang. Um 20:14 Uhr verlässt der Zug die französische Landoberfläche bei Calais und es wird für über 20 Minuten dunkel.
Im Tunnel lässt sich die Geschwindigkeit kaum einschätzen. Es sind nur geringe Vibrationen zu spüren und die Fahrt verläuft extrem ruhig.
Selbst 75 Meter unter dem Meeresspiegel, an der tiefsten Stelle des Eurotunnels, ist Handy-Empfang möglich. Die französischen GSM-Netze Bouygues, Orange Frankreich, F SFR werden auf meinem iPhone angezeigt.
Reise durchs Zeitloch
Der gelb-weiße Zug kommt nach 23 Minuten Fahrzeit um 19:37 Uhr in Großbritannien an die Oberfläche. Nein, es ist kein Tippfehler, dass wir auf der Insel früher ankommen als wir in Frankreich abgefahren sind, denn zwischen Frankreich und Großbritannien herrscht eine Stunde Zeitunterschied.
Die am Fenster vorbeiziehende Landschaft wirkt hier anders als in Frankreich, leicht neblig zeigt sich die Englische Küste bei Folkstone. Die letzte halbe Stunde Fahrt bis London führt durch grüne Hügel und einige Tunnels.
Mit wenigen Minuten Verspätung erreicht mein Zug kurz nach 20 Uhr London St. Pancras International.
Hier müssen wir noch einen Zollbereich passieren, dann steht der Erkundung der Stadt an der Themse nichts mehr im Weg.
Die Bahnreise von Paris nach London durch den Eurotunnel zählt zu den Highlights für Bahnreisende. Bei einer Fahrzeit von rund 2 1/4 Stunden zwischen den beiden Metropolen ist die Bahn dem Flugzeug weit überlegen.
Die American Society of Civil Engineers (Amerikanische Gesellschaft der Bauingenieure) hat den Eurotunnel übrigens zu einem der modernen sieben Weltwunder erkoren.
Weiter Tipps für die Fahrt mit dem Eurostar:
- Eurostar-Züge verkehren nicht nur zwischen Paris und London sondern fahren auch ab Brüssel in Belgien sowie Lille und Calais in Frankreich nach Ashford, Ebbsfleet und London im Vereinigten Königreich.
- Die Bahnhöfe St. Pancras International und Kings Cross liegen in London direkt nebeneinander.
- Am Bahnhof Gare du Nord in Paris und St. Pancras Int./Kings Cross in London ist das Umsteigen auf Metro und U-Bahn möglich.
- Tickets für den Eurostar z.B. bei der SNCF (z.B. für Fahrten ab Frankreich)* oder auch bei der Deutschen Bahn (z.B. für Fahrten ab Deutschland)*.
Wie sieht es bei Dir aus? Bist Du schon einmal mit dem Eurostar nach Großbritannien gefahren? Ist die Bahnfahrt nach London für Dich eine Option gegenüber dem Flugzeug?
Alex says
Da haben wir sie wieder, die “Gare du Nord”. ;)
Interessanter Artikel. Ich bin bislang noch nicht mit dem Eurostar gefahren, sieht jedoch gut aus, der Zug. Und dass man sogar 75 Meter unter dem Meeresspiegel immer noch Netz hat, Hut ab. Und unter dem Meer bekommt man nicht irgendwann mal Platzangst? ;)
Andersreisender says
-Alex: Ich habe vor “Gare” nun einfach das Wort Bahnhof gesetzt.. Ist vielleicht eine Verdoppelung, aber nun darf ich die männliche Schreibweise verwenden. ;-)
Wegen der “Platzangst” tief unter dem Meeresgrund: Also solange ich das Wasser nicht sehe ist im Tunnel für mich alles in Ordnung. :-)
Erdal says
Das Beste ist ja, dass die DB, wie Du geschrieben hast, ab 2016 ab Frankfurt/Main Richtung London fahren wird. Und das in 5 Stunden. Heute sind es im besten Fall mit zwei Umstiegen 6,50 Stunden.
Wenn die Preise stimmen, dann wird das aus meiner Sicht ein Renner… nein… Sprinter ;-)
Andersreisender says
Erdal: Fünf Stunden von Frankfurt nach London finde ich ist schon ein Hit. Da kommt das Flugzeug definitiv nicht mit. ;-)
Erdal says
Vor Allem kommt man durch mehrere Länder: Deutschland, Belgien, Frankreich und schließlich England. Je nachdem, wie die DB ihre Preisgestaltung macht, könnte man das Ticket mit30 Tage Gültigkeit kaufen und zwischendurch aussteigen… ich glaube, dieses Angebot würde Europa noch näher zusammenbringen.
Die Bahn – welche Gesellschaft auch immer dahinter steckt – ist DAS Völker verbindende Transport- und Reisemittel.
Andersreisender says
Erdal: Hmm… solch ein Ticket wäre durchaus interessant. Hört sich fast wie ein “Interrail-Ticket für den Eurostar” an. Aber ob das tatsächlich kommt? Schauen wir mal. Spannend wird es auf alle Fälle wenn man ohne umzusteigen mit dem Zug von Deutschland nach Großbritannien reisen kann.
Jessi says
Ich war schon zweimal mit dem Eurostar nach London unterwegs, von Brüssel aus. Von Aachen ist man in einer Stunde mit dem Zug in Brüssel und von London ging es dann für mich noch weiter nach Brighton.
Ich habe sehr gute Erfahrungen gemacht und mit dem Eurospezial für 49,- kann man meiner Meinung nach nichts verkehrt machen! :-)
Liebe Grüße
Jessi
Andersreisender says
– Jessi: Wow – das ist wirklich ein super günstiges Ticket, um nach London zu reisen. Und von Aachen scheint es über Brüssel ja wirklich nur noch ein Katzensprung zu sein. Von Salzburg dauert’s leider ein bisschen länger…