Seit Anfang 2012 fahren wieder Züge auf einem Teilstück der Nordbahn in Ecuador. Der “Tren de la Libertad” fährt von Ibarra nach Salinas, Anfang 2015 wurde die Strecke von Ibarra nach Otavalo verlängert.
Die 32 Kilometer lange Strecke von Ibarra nach Salinas ist Teil der ehemaligen “Ferrocarril Norte” von der Hauptstadt Quito an die Pazifik Küste. Heute fährt auf dem kurzen Streckenabschnitt mehrmals täglich ein Touristenzug durch die reizvolle Landschaft.
Update vom 6.10.2020: Wenn Du aktuell oder in absehbarer Zeit nach Ecuador reist, beachte bitte die aktuelle Situation beim Thema neuartiges Coronavirus (Covid-19). Neben dem gesundheitlichen Aspekt kann es auch Einschränkungen bei der Reise und der Einreise geben.
Aufgrund von Covid-19 sind Zugreisen in Ecuador bis auf weiteres leider nicht möglich.
Stockfinster ist es im Waggon. Der Zug fährt gerade durch einen Tunnel, es fühlt sich wie die Fahrt in der Geisterbahn an. Für Bruchteile von Sekunden erhellen die Blitze der Fotokameras den Waggon. Die Fahrgäste schauen gebannt hinaus auf die Tunnelmauer. Sie ist uneben, der Fels ist zu sehen und wirkt im grellen Blitzlicht gespenstisch.
Langsam dringt wieder Tageslicht von der Zugspitze zu den Waggons, schon rattern wir über eine große Bogenbrücke, bevor der Zug wieder im nächsten Tunnel verschwindet.
Die sechs Tunnel auf der Strecke wurden 1936 gebaut, der längste ist 309 Meter lang. 1957 wurde die Nordbahnstrecke von Quito nach San Lorenzo und die Pazifikküste fertiggestellt.
Ein Teil der Bahnstrecke wurde 2011 saniert, seit Anfang 2012 fahren wieder Züge, allerdings nur noch von Ibarra nach Salinas. In Zukunft soll der “Tren de le Libertad” auch bis Otavalo fahren.
Um 10:30 Uhr verlässt der Freiheitszug den Bahnhof in Ibarra und rollt langsam entlang des Markets. Auch wenn der Zug mit seinen alten Waggons fast täglich fährt ist er doch eine Besonderheit. Viele bleiben stehen, winken und fotografieren.
Rund 90 Minuten benötigt der Zug für die Fahrt nach Salinas, es geht ständig bergab. Der Ort liegt 600 Meter tiefer als Ibarra auf rund 1.600 Metern Seehöhe.
Durch Tunnels, über Brücken und entlang von Felsklippen zieht die Diesellok aus französischer Produktion den Zug Richtung Salinas.
Einer der Passagierwaggons ist noch original aus dem Jahr 1942 erhalten, die anderen beiden wurden umgebaut.
Im Gebirge sind die Züge auf Kapspur (Spurweite: 1.067 mm) wesentlich wendiger als auf einer Normalspurstrecke. In den engen Kurven entdecke ich am Dach des ersten Waggons einen Mitarbeiter der Bahn.
Er überwacht dort stehend die Strecke auf Hindernisse und gibt im Ernstfall ein Zeichen an die Bremser in den Waggons weiter. Gruselig, er sitzt auch in den finsteren Tunnel am Dach.
In Salinas macht sich schon unruhe breit. Die “Mandela Dancing Group” wartet auf die Ankunft des Zuges.
Die Einwohner Salinas sind hauptsächlich Afroecuadorianer. Der “Tren de la Libertad” ist in Sichtweite, die Mädchen nehmen Aufstellung für ihre Tanzperformance.
Sie wollen den Gästen einen kleinen Einblick in ihre Kultur präsentieren.
Die Züge bringen Leben in den kleinen Ort. Hier gibt es keine Shoppingmalls oder Einkaufsstraßen, Salinas ist ein verschlafenes Städtchen.
Die Haupteinnahmequelle ist der Anbau von Zuckerrohr. Der Ortsname Salinas lässt aber auf eine andere Einnahmequelle schließen. Richtig: Salz.
Im kleinen Salzmuseum sehen die Gäste die besondere Geschichte der Salzgewinnung in Salinas, das weiße Gold wurde aus der Erde gefiltert. Nach einer Trockenperiode von drei Wochen wurde eine zwei Zentimeter dicke Erdschicht abgetragen und dann das Salz mit Wasser herausgefiltert.
Nach fünf bis sieben Tagen ist der Filterprozess beendet, dann wird die Sole eingedampft um feste Salzkristalle zu erhalten. Dieses Salz ist von natur aus Jodhaltig und hat eine bräunliche Farbe.
Heute wird in Salinas kein Salz mehr gewonnen, der Prozess ist zu aufwändig. Die Menschen in Salinas suchen nach anderen Einnahmequellen, die Touristenzüge sind für manche eine Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufschwung.
Unter dem Namen “Industrias Santa Catalina” haben sich fünf Frauen und ein Mann zusammengetan um regionale Produkte zu vermarkten. Im Geschäft am Hauptplatz verkaufen sie Pinacolada, verschiedene Marmeladen, Suppen und Braunzucker. Nach der Ankunft des Zuges haben sie alle Hände voll zu tun.
Sobald der Zug Salinas Richtung Ibarra verlässt, wird es wieder ruhig im Ort. Bis zum nächsten Tag, dann bringen die Fahrgäste des “Tren de la Libertad” wieder Leben in das verschlafene Nest.
Reisetipps für den Tren de la Libertad:
- Die Züge werden von Tren Ecuador betrieben und Fahrkarten können als “Roundtrip” gebucht werden. Im Ticketpreis sind u.a. die Tanzperformance, Tourguide und der Eintritt ins Salzmuseum enthalten.
- Mittagessen ist in einem einfachen Restaurant in Salinas möglich, Getränke und kleine Snacks sind auch am Bahnhof in Salinas erhältlich.
Fahrplan und Fahrkarten:
- Von Ibarra nach Salinas und retour fahren Züge Dienstag bis Sonntag. Abfahrt 10:30 Uhr in Ibarra, Rückkehr um 15:30 Uhr. Montag kein Verkehr.
- Verstärkerfahrten lt. Fahrplanauskunft von Tren Ecuador am Bahnhof in Ibarra: Freitag bis Sonntag um 12:30 Uhr mit Autoferro (Schienenbus) und nach Bedarf Samstag und Sonntag zusätzlich um 8:30 Uhr mit einem Schienenbus.
- Die Strecke wurde bis Otavalo verlängert. Hier werden nun auch Bus-Zug-Kombifahrten angeboten, Start ist lt. Fahrplan um 7:30 Uhr. Es werden Sightseeing-Stopps in San Roque und Andrade Marin eingelegt. Trotzdem können Fahrgäste weiterhin auch in Ibarra zusteigen.
- Weitere Fahrplaninformationen und Buchungsmöglichkeit der Zugtickets direkt bei Tren Ecuador (Website leider seit Herbst 2020 nicht mehr erreichbar). Online-Kauf der Fahrscheine und Fahrplan für die Verstärkerfahrten sind dort nicht aufgeführt.
Der Tren de la Libertad – Ein Fazit:
Mit beschaulichen 30 Stundenkilometern windet sich der Tren de la Libertad durch die gebirgige Andenlandschaft Ecuadors. Die Fotografen freut es, dass die Fenster des Zuges noch geöffnet werden können.
Wer nicht ständig am Sucher hängen will schaut sich die Landschaft aus den Polstersitzen an und hört den Ausführungen der Schaffnerin – in Spanisch und Englisch – zu.
In den rumpelnden, ratternden Waggons kann man sich gut in die Vergangenheit zurückversetzen lassen, wo noch alles ein bisschen langsamer ging.
Die Landschaft ist vor allem im mittleren Teil der 32 Kilometer langen Fahrt von Ibarra nach Salinas reizvoll. Der Zug fährt durch sechs Tunnels und über zwei Brücken und überwindet rund 600 Höhenmeter. Einen abenteuerlichen Arbeitsplatz hat der Bahnmitarbeiter am Dach des ersten Waggons.
Der Tren de la Libertad ist mit gemächlichen Tempo von maximal 30 Stundenkilometern unterwegs. “Slow Travel” par excellence. Die Fahrt von Ibarra nach Salinas ist ein rumpeliges Erlebnis auf Kapspur, bei dem man sich schnell in die “alte Zeit” zurückversetzt fühlt. Salinas ist ein verschlafenes Nest und bietet interessante Einblicke ins Leben der Afroecuadorianer abseits der klassischen Sehenswürdigkeiten.
Bist Du schon einmal mit diesem Zug in Ecuador gereist? Wie sind Deine Erfahrungen?
Die Erfahrungen, Tipps und Hintergrundinformationen in diesem Beitrag wurden im Rahmen einer individuellen Pressereise auf Einladung von Quito Tourismus recherchiert. Wie immer bleibt meine Meinung in der Berichterstattung davon unberührt.
Oli says
Das klingt nach einer spannenden Tour. Ich persönlich hätte allerdings den Schienenbus genommen. Ich finde den fast noch ein bisschen aussergewöhnlicher.
Gerhard says
Stimmt, Oli! Der Schienenbus hat was. Ich bin bisher mit so einem Teil noch nicht gefahren. Leider blieb keine Zeit ihn neben dem “normalen” Zug zwischen Ibarra und Salinas auch auszuprobieren. Naja, gibt’s wenigstens einen weiteren Grund für mich wieder einmal nach Ecuador zu reisen. ;-)
Oli says
Die goldene Regel der Reisenden: Lass immer was Gutes aus, damit du einen Grund hast, zurückzukehren…! Ist auch mein Motto… :)
Es gibt übrigens auch einen tollen Schienenbus auf Madagaskar. Den will ich schon seit vielen Jahren ausprobieren. Aber Madagaskar ist so weit ab vom Schuss…
Gerhard says
Oli: Gute Einstellung! Es gibt schon einige Länder wo ich nochmals gerne hinreisen möchte. Nicht nur wegen der Eisenbahn. ;-)
Stimmt, von den Schienenbussen in Madagaskar habe ich auch schon gehört. Aber ist wirkich weit weg. Dann liegt Ecuador vielleicht doch eher am Weg. Die Schienenbusse fahren übrigens auch auf anderen Strecken, z.B. zur Teufelsnase und nach Urbina.
Janne says
Das ist schön!