Bis vor wenigen Jahren mochte ich den Herbst nicht. Dann begann ich mich mit ihm zu arrangieren. Mittlerweile ist er im Jahreskreis von mir akzeptiert.
Früher wäre mir ständig Sommer am liebsten gewesen. Vielleicht einmal ein bisschen kühler, dann wieder heißer. Aber immer Sonne und einigermaßen warm. Kein Schmuddelwetter, kein grau, keine Feuchtigkeit, kein Regen.
2010/11 erfüllte ich mir diesen Traum des ewigen Sommers. Während meiner achtmonatigen Asienreise entkam ich ständig dem kalten Wetter. In Russland und Japan war es sommerlich heiß, in China rutschte ich manchmal schon in den Frühherbst, aber in Vietnam hatte ich wieder Vorsprung.
Die Regenzeit im Süden vor mir und den Herbst im Nacken. Noch war es warm in Hanoi und langsam arbeitete ich mich nach Süden vor, in der Hoffnung dass die feuchte Regenzeit bald zu Ende geht. Anfang Dezember begann die beste Reisezeit für Südostasien und in Südvietnam, Kambodscha und Thailand war es trocken und heiß.
Mit der Zeit wurde das aber ein bisserl fad. Immer warm, immer Sonne. Die Herbstdepression blieb zwar aus, aber spätestens zu Weihnachten dachte ich an zu Hause. Ein Anflug von Heimweh. Lust auf Winterlandschaften, Glühweinstandl, Weihnachtsbeleuchtung und gemeinsame Zeit mit Freunden und Familie.
Damals wurde mir klar, dass die Abwechslung fehlt. Das schöne Wetter war nichts Besonderes mehr. Man hat es ohnehin jeden Tag. Seit damals schätze ich den Jahreskreis in Mitteleuropa. Frühling. Sommer. Herbst. Winter. Jede Jahreszeit mit ihrem eigenen Charakter. Mal intensiver, mal schwächer.
Etwas wehmütig werde ich trotzdem jedes Jahr, wenn die warme Jahreszeit zu Ende geht. Aber ich freue mich auch auf die Veränderung. Dieses Jahr hat der Herbst mit seinen traumhaften Tagen ja fast den Sommer ersetzt.
Die bunten Blätter peppen einen Novembertag ungemein auf. Das iPhone in die Herbstlandschaft halten und schon entstehen schöne Bilder vom Sonntagsspaziergang über den Plainberg bei Salzburg. Die Sonne scheint, die Blätter rascheln am Boden bei jedem Schritt und und strahlen goldgelb auf den Bäumen. Da kann man sich gar nicht vorstellen, dass jemand den Herbst nicht mag.
Manchmal zieht man mit der warmen Herbstluft einen modrigen Geruch ein. Ein fauliger Geruch. Der Geruch des absterbenden. Das feuchte Herbstlaub klebt am Asphalt, beginnt sich zu zersetzen und dünstet aus.
Herbst ist die Zeit des vergänglichen. Der Nebel verhüllt langsam die Sonne und kriecht über die Felder. Die Gedanken hängen an der Endlichkeit und der Wechsel von den strahlenden Farben ins verwaschene Nebelgrau drückt die Stimmung auf den Nullpunkt.
Vielleicht wird deshalb Allerheiligen Anfang November gefeiert? Wenn der Nebel über den Friedhof zieht, damit der Gedanke an die lieben Verstorbenen durch Mark und Bein geht? Genauso wie die feuchte Kälte die sich von den Zehenspitzen hocharbeitet und langsam den ganzen Körper erobert.
Zu jener Zeit gibt es kein schlechtes Gewissen, wenn man die Zehen wohlig warm einwickelt und den Tag auf der Couch verbringt. Eingeigelt und mit einer kleinen Kerze am Tisch, um die Dunkelheit zu vertreiben. Soll der Wind draußen ums Eck‘ pfeifen, die Blätter von den Bäumen fegen und sie dann langsam auf der Straße vom Regen aufweichen lassen.
Spätestens wenn der Schnee kommt sieht man nichts mehr vom braunen Dreck. Er wird vom weiß überdeckt. Mit neuer Hoffnung auf einen sonnigen Wintertag.
Sonja says
Sehr schöner Artikel. Ich hab was Ähnliches erlebt. War mal ein halbes Jahr durchgehend in Asien. Fuhr weg als hier Ende Sommer war und kam wieder als der Frühling kam. Auch ich fand das dann langweilig. Immer Hitze, immer Sonne, immer warm und heiß? Erst da hab ich begriffen, wie kostbar unsere Jahreszeiten sind, wie kostbar Regen eigentlich ist. Und dass wir nur diese wunderbare Vegetation haben, eben weil wir 4 Jahreszeiten haben. Heute liebe ich den Herbst, den Winter nicht ganz so toll aber doch auch, den Frühling und den Sommer, so er nicht zu heiß ist :-)
Walter says
wenn es immer nur “goldenen Oktober” im Herbst gäbe, würde er mir auch gefallen. Leider überwiegt halt der graue Himmel und den kann ich zu keiner Jahreszeit leiden.
Alex says
Ich denke, dass jede Jahreszeit ihre Vor- und Nachteile hat. Und wie du es selbst schreibst, vor allem die Abwechslung macht es! :)
Der Frühling ist schön. Nach langem Kalt erwacht die Natur. Sonnenstrahlen kommen raus, es wird allmählich wärmer…
Der Sommer ist schön. Man kann draußen sitzen, lange Abende genießen, Sonne tanken…
Der Herbst ist schön. Die Farben der Natur, das letzte Aufbäumen der Sonne und Wärme, ehe der Winter Einkehr erhält…
Der Winter ist schön. Der Schnee, die Natur in weiss, eben das Gegenspiel von Sommer und Hitze…
Und dann beginnt es von Neuem, das Spiel der 4 Jahreszeiten! :)
Dennoch hat man sicherlich seinen Favoriten unter den Vieren.
Antje says
Tolle Artikel, lieber Gerhard. Mir geht es ähnlich – ich schätze die Vielfalt der Jahreszeiten mehr und mehr – vor allem, wenn der Herbst uns mit so traumhaften Tagen verwöhnt, wie dieses Jahr. Ich bin gespannt, ob wir überhaupt etwas Winterromantik bekommen – letztes Jahr gab es bei uns gar keinen Schnee – dabei liebe ich diese knackig kalten Wintertage sehr… Lassen wir uns überraschen :-)
Maximilian says
Toller Artikel, schöne Bilder. Ich mag alle Jahreszeiten, aber besonders die Melancholie des Herbsts.
Andersreisender says
– Sonja: So wie es aussieht sind wir einer Meinung. Liebe Herbstgrüße! :-)
– Walter: Grau in grau ist auf Dauer fad. Aber nach einem grauen Tag schätzt man die Sonne wieder mehr.
– Alex: Besser hätte ich’s nicht schreiben können. Herbstgrüße nach Luxemburg!
– Antje: Der letzte Winter war auch ungewöhnlich warm. Ich habe nach meiner Rückkehr aus Indien, Mitte Februar, schon das Motorrad aus der Garage geholt. Bin gespannt, ob ich dieses Jahr, vor meiner Abreise am 31. Dezember, noch etwas Schnee sehen werde.
– Maximilian: Aber bitte nicht zu viel Melancholie im November. ;-)
igrigi says
Hallo Gerhard, ein herrliches Herbsterlebnis Ende Oktober ist der “Große Ahornboden” in der Eng – im Karwendel. Mit Auto, Motorrad, oder Fahrrad erreichbar. Eine schöne Zeit!! Die Griehsis
Andersreisender says
Griehsis: Dankeschön für Euren Herbst-Tipp! Habe ich sofort auf die (schon sehr lange) ToDo-Liste gesetzt. :-)