Seit 3. Dezember 2009 ist eine neue EU-Verordnung in Kraft, die Bahnkunden mehr Rechte im Fall von Verspätungen der Züge bringt. Sie bietet die Grundlage in allen EU-Mitgliedsstaaten, trotzdem können die Regelungen in den einzelnen Ländern unterschiedlich gehandhabt werden. Bereits 2004 haben sich die Deutsche Bahn (DB) und die Österreichische Bundesbahn (ÖBB) zu Entschädigungen bei Verspätungen freiwillig verpflichtet.
Inhalt:
Entschädigung bei Verspätung im Fernverkehr
Nun bekommen Bahnkunden der Eisenbahnen in der EU bei mehr als 60 Minuten Verspätung des Zuges 25 % des Fahrpreises erstattet, bei mehr als 120 Minuten 50 %. Bei Verspätungen von mehr als 60 Minuten, verpassten Anschlüssen oder Zugausfall hat der Fahrgast Anspruch auf besondere Betreuungsleistungen. Zu denen zählen – soweit sie angemessen sind – Mahlzeiten, Unterbringung und falls ein Zug auf der Strecke blockiert ist, alternative Beförderungsmöglichkeiten.
In Österreich werden Kunden bei Verspätung ohne Mindestfahrpreis und ohne Grenze nach oben entschädigt – wahlweise per Gutschein oder mit Bargeld. Auch die Höhe der Gutschrift wurde deutlich angehoben. Wird der letzte Anschlusszug versäumt, werden Taxikosten bis max. 50,- Euro und/oder Hotelkosten bis max. 80,- Euro gegen Vorlage der Rechnung unbürokratisch ersetzt.
Viel Neues beim DB-Fernverkehr
In Deutschland sind die neuen Regelungen bereits im Sommer in Kraft getreten. Der Fernverkehr der Deutschen Bahn bietet seinen Kunden eine weitere – über die gesetzlichen Anforderungen hinaus gehende – Kulanzregelung an: Bei einer absehbaren Verspätung am Zielort von mindestens 20 Minuten ist die Nutzung eines höherwertigen oder von der Zugbindung abweichenden Zuges möglich.
Auch die Taxiregelung für Nahverkehrsreisende wird im DB-Fernverkehr übernommen, das heißt: Ist davon auszugehen, dass sich ein Zug im Nahverkehr, dessen planmäßige Ankunftszeit zwischen 24 und 5 Uhr liegt, um mindestens 60 Minuten verspätet, kann der Fahrgast darüber hinaus andere Verkehrsmittel zu seinem Zielort benutzen – wenn notwendig auch Taxis.
Die Kosten hierfür bekommt der Reisende bis 80 Euro ersetzt. Gleiches gilt, wenn die letzte fahrplanmäßige Verbindung des Tages ausfällt und der Fahrgast den Zielort bis 24 Uhr ohne die Nutzung eines anderen Verkehrsmittels nicht mehr erreichen kann.
Erstmals Geld zurück im Nahverkehr
Auch für Pendler bringt die neue Regelung ebenfalls Vorteile. Rund 40.000 ÖBB-Kunden mit einer Jahreskarte profitieren von der neuen EU-Verordnung. Die Österreichischen Bundesbahnen haben sich verpflichtet im Regionalverkehr eine Pünktlichkeit von mindestens 85 % zu erreichen. Dieser Wert wird monatlich evaluiert. Wird er (auch punktuell) nicht erreicht, bekommen alle Kunden, die den betroffenen Streckenabschnitt fahren, 10 % des Wertes einer Monatskarte zurück, entweder als Gutschein oder auf das Konto überwiesen. Das geschieht automatisch am Jahresende bzw. mit dem Ablauf der Jahreskarte. Nur Jahreskarten-Besitzer erhalten die Entschädigung bei Verspätung.
Für Nah- und Fernverkehr gilt in Österreich: Ab 5 Minuten gilt ein Zug als verspätet, gemessen wird bei jedem planmäßigen Halt. Der Entschädigungswert muss mindestens 4,- Euro betragen; es wird keine Bearbeitungsgebühr verrechnet. Für Schlichtungsfälle ist die Schienen-Control GmbH als unabhängige Instanz zuständig.
DB-Regionalbahnfahrer dürfen Fernzüge nützen
Im Nahverkehr der Deutschen Bahn (zB. Regionalbahn, Regional-Express, S-Bahn) gelten gegenüber dem Fernverkehr zusätzliche Bestimmungen, die über die Regelungen der neuen EU-Verordnung hinaus gehen. Bei einer absehbaren Verspätung am Zielort von mindestens 20 Minuten kann der Fahrgast seine Reise mit einem anderen Zug antreten beziehungsweise fortsetzen – auch mit Fernverkehrszügen.
Ausgenommen sind Züge mit besonderer Reservierungspflicht, wie zum Beispiel die ICE Sprinter oder City Night Line-Verbindungen. Für den Fernverkehrszug muss der Reisende zunächst eine gültige Fahrkarte erwerben. Die entstehenden Kosten bekommt er anschließend von dem Eisenbahnunternehmen erstattet, das für die Verspätung verantwortlich ist.
Außerdem gilt bei der Deutschen Bahn in den Nahverkehrszügen die sogenannte Taxi-Regelung, die bereits bei den Fernverkehrszügen näher erklärt wurde.
Wann gibt es keine Fahrpreis-Erstattung?
Im Fernreiseverkehr der Europäischen Bahnen kommen die Regeln der EU-Verordnung in folgenden Situationen nicht zum Tragen:
- Wenn die Zugverspätung bzw. der -ausfall auf das Verschulden des Reisenden oder eines Dritten oder eines, außerhalb des Eisenbahnbetriebes liegenden Umstandes zurückzuführen ist (z.B. Naturkatastrophen, Behördliche Einsätze, etc.)
- Wenn der Reisende rechtzeitig vor dem Kauf des Tickets über mögliche Verspätungen informiert wurde.
Wie wird der Fahrpreis rückerstattet?
Bei den ÖBB ist das Formular zur Erstattung an allen Personenkassen und beim Zugbegleiter erhältlich. Im Online-Fahrplan der ÖBB kann der verspätete Zug bis zu zwei Tage später abgerufen und eine Bestätigung ausgedruckt werden. Gemeinsam mit dem Original-Ticket muss das Formular an ÖBB-Personenverkehr, Fahrgastrechte, Postfach 75, 1020 Wien gesendet werden, kann aber auch bei einer Personenkasse abgegeben werden. Detail Regelungen zur Erstattung finden Fahrgäste unter www.oebb.at/fahrgastrechte.
Gemeinsam mit dem Tarifverband der Bundeseigenen und Nichtbundeseigenen Eisenbahnen in Deutschland (TBNE) hat die Deutsche Bahn ein einheitliches Entschädigungsverfahren entwickelt. Mit dem neuen Fahrgastrechte-Formular können Fahrgäste Verspätungen entlang der gesamten Reisekette – im Nah- und im Fernverkehr – geltend machen.
Das Fahrgastrechte-Formular ist in den Vertriebsstellen der teilnehmenden Bahnen, im Internet und bei den DB Service Points erhältlich. Unter www.bahn.de/fahrgastrechte finden Reisende umfangreiche Informationen zum Nationalen und Internationalen Eisenbahnverkehr sowie Regelungen bei Autozug und Nachreiseverkehr.
EU-weit mehr Qualität für den Kunden
Die Verordnung (EG) 1371/2007 soll – neben der Abgeltung von Verspätung – auch Verbesserungen bei der Kunden-Information, bei Qualität und Sicherheit und Verbesserungen für Personen mit eingeschränkter Mobilität bringen. Außerdem wird die Haftung der Bahn bei Schäden gegenüber dem Bahnkunden neu geregelt.
Umsetzung in den EU-Staaten
Die Verordnung gilt für alle Bahnen innerhalb der EU. Allein bei der Fahrpreiserstattung bei Verspätungen gibt es zahlreiche Sonderregelungen der verschiedenen Bahnen, die nur schwer überschaubar sind. Jedenfalls müssen die Nationalen Regelungen eine bessere Leistung für den Fahrgast bieten, als die EU-Verordnung. Für internationale Reisen in Thalys-Zügen gelten zB. besondere Konditionen, die bei einer Verspätung ab 120 Minuten eine 100-prozentige Entschädigung als Gutschein vorsehen.
Zu hinterfragen ist, inwiefern die neue EU-Verordnung in den östlichen EU-Staaten in naher Zukunft umgesetzt werden kann. Eisenbahn-Verspätungen stehen dort an der Tagesordnung.
Hinsichtlich Kundeninformation ist zB. bei der Eisenbahn in Rumänien in vielen Bahnhöfen nicht einmal eine Grundversorgung umgesetzt: Wagenstandsanzeiger, Fahrgast-Informationsanzeigen und Informationen über Verspätungen sind auch auf Umsteigebahnhöfen meist nicht existent. In den Zügen werden weder in Ungarn noch in Rumänien die nächsten Stationen bekannt gegeben, auch in Fernverkehrszügen fehlen Kundeninformationen in gedruckter Form.
Dasselbe gilt bei Einrichtungen für Menschen mit eingeschränkter Mobilität. Eine Fahrt mit der Bahn ist in vielen Ländern der Europäischen Union für Rollstuhlfahrer oder gehbehinderte Menschen allein nicht durchführbar.
plerzelwupp says
Naja – jetzt gibt’s wenigstens eine europaweite gesetzliche Grundlage.
Aber nach allem, was ich gelesen bzw gehört habe, ist das erforderliche DB-Formular so eine Frechheit, dass sich tatsächlich die Frage stellt, ob sich der ganze Aufwand lohnt (insbesondere bei kleineren Beträgen).
Isabelle says
Vielen Dank für die tolle Information. Eigentlich längst überfällig, dass es ordentliche Regelungen für Zugverspätungen gibt. Als eingefleischte Zugfahrerin habe ich da ja schon so einiges erlebt. Bis zu 3 Stunden Verspätung mit dem Nachtzug. Wenn es darum geht einen Anschluss zu erwischen, können einen aber auch schon ein paar MInuten höchst ärgerlich sein und eine stundenlange Verspätung zur Folge habe. Warum nur ÖBB JahreskartenbesitzerInnen davon profitieren sollen, verstehe ich allerdings nicht.
Andersreisender says
@Isabelle: Willkommen im Andersreisen-Blog! Auch ich habe die Verspätungen – vor allem im internationalen Verkehr – schon sehr genossen. Das hatte im Vorjahr sogar eine “angenehme” Übernachtung am Budapester Hauptbahnhof zur Folge, weil wir den Anschlusszug nach Österreich nicht mehr erwischt haben. Tolles Erlebnis ;-)
Von den ÖBB wird die Sache mit der Jahreskarte so argumentiert, dass diese Karte eindeutig auf einen Fahrgast ausgestellt wird – also mit Namen versehen ist. So kann auch genau eruiert werden, welche konkrete Strecke und welche Person die Verspätung im Verhältnis zur Dauer des Monats betrifft.
Andersreisender says
@plerzelwupp: Europaweit einheitlich uneinheitlich, würde ich sagen. Leider gibt es ja dennoch viele Extra-Bestimmungen, die dann aber mehr Entschädigung für den Fahrgast bringen müssen, als die EU-Vorgabe. Leider ist die Entschädigung auch mit ziemlichem Bürokratischen Aufwand verbunden, findet man alles inklusive Formular auf der Homepage der DB bzw. ÖBB.