Eines der geschichts-trächtigsten Ereignisse Deutschlands jährt sich zum 20. Mal. Nach über 28 Jahren fiel die Berliner Mauer in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989. Die Öffnung der Berliner Mauer bedeutete auch das Ende des Eisernen Vorhangs, der Ost- und Westeuropa trennte.
Und sie bescherte den Bürgern der DDR und des ehemaligen Ostblocks die lang ersehnte Reisefreiheit. Das Bedürfnis, frei reisen zu können, war eine der am stärksten treibende Kraft im Kampf gegen das sozialistische Regime.
Inhalt:
Mauern und Grenzanlagen fallen
In den Monaten vor dem Fall der Berliner Mauer begann der Eiserne Vorhang bereits an anderen Stellen massiv zu bröckeln. Der Abbau der Grenzanlagen zwischen Österreich und Ungarn wurde ab dem 2. Mai 1989 vorbereitet. Das Paneuropäische Picknick bot für viele DDR-Flüchtlinge eine einmalige Gelegenheit, in den Westen zu gelangen. Am 19. August 1989 wurde ein Grenztor zwischen Ungarn und Österreich geöffnet. Diese von den beiden Regierungen abgesprochene Aktion gilt auch als erste “offizielle” Öffnung des Eisernen Vorhangs.
Europa wächst zusammen
Die Geschichte nahm ihren Lauf. Im November wurde die Berliner Mauer geöffnet und noch im Dezember 1989 begann der Abbau der Tschechoslowakischen Grenzbefestigungen. Danach beendete auch die Rumänischen Revolution im Dezember 1989 das Gewalt-Regime von Nicolae Ceausescu. Europa konnte wieder zusammenwachsen und die Reisefreiheit war wieder hergestellt.
Reisefreiheit als Menschenrecht
In den vergangenen 20 Jahren hat sich der Verkehr über die Grenzen innerhalb Europas weiter wesentlich vereinfacht. Durch das Schengen-Abkommen finden an den Grenzen innerhalb des “Schengen-Raums” kein Personenkontrollen statt. Für Reisen innerhalb der gesamten Europäischen Union reicht der Personalausweis als Ausweisdokument. Diese Regelungen werden dem Artikel 13 der Menschenrechte nur allzu gerecht.
1. Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen.
2. Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren. (United Nations)
Das Recht auf Reisefreiheit wird als selbstverständliches Menschenrecht gesehen. Mit Blick auf die realen Gegebenheiten können weltweit nur wenige Menschen tatsächlich frei reisen und sich nach belieben bewegen.
Sind wir in Mitteleuropa absolut privilegiert? In wie vielen Ländern der Welt kann man sich heute noch immer nicht frei bewegen? Speziell in Kriegsgebieten stellt sich nicht die Frage, ob es Kontrollen an Grenzen gibt – sondern wie viele Kontrollen innerhalb eines kleinen Gebietes täglich überwunden werden müssen. Eine absolute Einschränkung der täglich notwendigen Reisefreiheit.
Als Europäer sind wir in fast allen Ländern der Welt gern gesehene Gäste. Ohne größere Probleme erhalten wir Visa auch für exotische Winkel der Welt. Eine anderes Herkunftsland kann die Reisefreiheit stark einschränken.
Reise-Einschränkungen in der DDR
Nur mit großem bürokratischen Aufwand waren Reisen für Bürger der DDR ins nichtsozialistische Ausland möglich. Meist waren Reisen nur dann möglich, wenn eine Rückkehr in die DDR wahrscheinlich war. Zurückgelassene Kinder oder Ehepartner und das fehlen einer “Westverwandtschaft” ermöglichten oft eine Reise in den Westen. Für DDR-Bürger, die älter als 65 Jahre waren, galten andere Regeln. Sie durften ab 1964 einmal im Jahr Westverwandte besuchen. In den späteren Jahren gab es weitere Reiseerleichterungen.
Natürlich kam die DDR auch ohne ohne internationale Besuche nicht aus. Dafür gab es den so genannten Reisekader.
Reisekader (DDR: Kader, der in den Westen reisen darf)bezeichnet eine Person aus dem Staats- oder Parteiapparat oder dem öffentlichen Leben (Sportler, Künstler, Wissenschaftler) sowie der Wirtschaft der DDR, bei der die vorherrschende Beschränkung der Reisefreiheit nicht galt.
Die Überprüfung und Bestätigung der in Frage kommenden Personen erfolgte durch die Hauptabteilung XIX des Ministeriums für Staatssicherheit. Personen, die als Reisekader bestätigt wurden, erhielten einen DDR-Reisepass. (Wikipedia)
Reise(freiheit) in die Sozialistischen Länder
Auch die Reise in die sozialistischen Länder war für DDR-Bürger nicht einfach. Die Einreise in die beliebten Urlaubsländer Polen und CSSR war ab 1972 visafrei. 1980 machte Polen dies wieder rückgängig. Erst 1984 wurden die Einreisebestimmungen nach Polen wieder gelockert. Die CSSR zählte zu den beliebtesten Urlaubszielen der DDR-Bürger. 1978 gingen rund 60 % der Reisen in die Tschechoslowakei (vgl. mdr, Linkziel wurde leider gelöscht)
Reisen in die Sowjetunion
Auch die anderen Bruderstaaten standen auf der Reiseliste der DDR-Bürger. Individuelle Reisen zum “großen Bruder”, in die Sowjetunion, waren organisatorisch sehr aufwendig. Genaue bürokratische Vorschriften schränkten die ohnedies schon geringe Reisefreiheit im sozialistischen Ausland weiter ein.
Bei Privatreisen in die Sowjetunion gab es noch ein zusätzliches Problem. Man musste bei der Beantragung der Einreise die genaue Fahrtroute sowie die einzelnen Tagesziele angeben. Das hatte zwei Gründe:
- Es gab Gebiete, die aus militärischen Gründen für Ausländer gesperrt waren.
- In den Weiten des Landes konnte man sich verfahren aber auch Pannen haben und festsitzen.
Deshalb musste man sich jeweils am Tagesziel bei der Miliz melden, die über die Ankunft vorinformiert war. Geschah das nicht, wurde eine Suchaktion ausgelöst. (vgl. Beyer, Linkziel bei Uni Leipzig wurde leider gelöscht)
Reise-Einschränkungen in anderen Ostblockstaaten
In anderen ehemals sozialistischen Staaten waren die Reisebedingungen ähnlich gestaltet wie in der DDR. Teilweise gab es noch verschärftere Reisebedinungen, wie zB. in Rumänien oder der Sowjetunion.
Anders war die Reisefreiheit im ehemaligen Jugoslawien geregelt. Jugoslawien gehörte keinem Militärbündnis an und nahm als sozialistischer aber blockfreier Staat eine Sonderstellung ein. Jugoslawische Staatsbürger durften visafrei nach Westeuropa, Nordamerika und in andere Teile der Erde reisen. Außerdem kamen in den 1960er Jahren zB. Gastarbeiter aus Jugoslawien nach Deutschland, Österreich und die Schweiz. (vgl. Wikipedia)
Helmut Qualtinger says
Reisen ist überbewertet. Wenn mich das Reisebüro nicht vermittelt hätte, ich wär dahaam blieben.
Ich habe mit Margoth und Kathi die 60 Jahre DDR mitgefeiert. Unsere Feier wird live von Radio Pyönyang und Radio Cuba übertragen.
Da die behindertengerecht und barrierefrei sind, veröffentlichen sie auch das Drehbuch für die Tauben und Spatzen.
Andersreisender says
@Helmut Qualtinger (!?): Tja…anscheinend ist Helmut Q. trotz der Überbewertung von Reisen zumindest von Wien bis Deutschland gekommen – zumindest zeigt es das Fähnchen neben Deinem Namen. ;-)
Dankeschön für Deinen Kommentar und Willkommen im Andersreisen-Blog! Man kann sich mit (nicht unter dem Link gefundenen) 60-Jahr-DDR-Feiern aus dem “Exil” noch so bemühen, letzten Endes schafft es trotzdem scheinbar nur Helmut Qualtinger, dass er von den Toten wieder aufersteht :-)
Daniel says
Klasse Video, das einen wirklich sehr bewegt und ein schöner Artikel dazu. Da habe ich mal wieder was von dir gelernt. ;-)
Gruß, Daniel.
Tatjana says
Sehr interessante Zusammenfassung der letzten 20 Jahre, mal aus anderer Sicht betrachtet und trotzdem neutral, vielen Dank dafür! Ebenso für das sehr bewegende, authentische Video, das ich noch nicht kannte.
Man könnte doch sagen, dass sich in Europa in den letzten Jahren vieles zum Positiven entwickelt hat. Die Reisefreiheit kann nur Vorteile haben!
Arven says
Ich kann mich sehr gut an diese Zeit erinnern und an diese Nacht…Ich war mit meiner Tochter gerade im 9. Monat schwanger (sie ist dann am 25.11.89 gelandet) Ich sass in diesen Tagen mit meinem Papa vor dem Tv wir hielten uns an der Hand und wir haben beide geheult bei den Bildern von den Menschen die über die Mauer in die Freiheit oder zu ihren Lieben kletterten.
Die Zusammenfassung ist toll Gerry, Die letzten 20 Jahre Europa und ihre Veränderungen.
Andersreisender says
@Daniel: Bitteschön – gern geschehen. Mir macht’s auch immer wieder Spaß interessante Themen zu recherchieren :-)
@Tatjana: Ich finde das Video auch sehr spannend. Ich habe es selbst zufällig in einem anderen Blog entdeckt und dachte, dass es hervorragend zum Thema Reisen passt.
@Arven: So intensiv wie Du habe ich das damals leider nicht miterlebt. Ich war 11 Jahre alt und konnte die ganze Tragweite damals noch nicht fassen. Aber dass etwas Besonderes passiert ist, das habe ich damals auch noch mitbekommen. Mich fasziniert die Thematik bis heute.
Ini says
hmmm ich überleg grad – wo die Mauer aufgenommen wurde…
Aber 1989 war ich schon in Halle und hab einen Geburtstag vorbereitet
Andersreisender says
@Ini: Hmm…das kann ich Dir nun leider nicht genau sagen, wo genau der Foto-Standort war…
Arven says
Das kann ich leider auch nicht sagen…Aber es waren in den Nachrichten teils Übertragungen das war sehr, sehr emotional.
@ Gerry
Mich faszinieren geschichtliche Themen sowiso…
Geschichte im Allgemeinen war auch in der Schule schon mein Lieblingsfach :)
Andersreisender says
@Arven: Also mit Königen und Kaisern kann ich eher weniger anfangen – da verliere ich schnell den Überblick. Bei mir sind’s eher spezielle Themen, die mich dann sehr ausführlich interessieren. Eben zB. die Themen Mauerfall, DDR, Kommunismus gehören da auch dazu. Ganz spannend auch die Geschichte der Deutschen Minderheiten – zB. in Rumänien.