Wo vor zwei Wochen noch fröhliches Lachen zu hören war herrscht jetzt Stille. Am See firnt der Wind das Wasser auf, ans Sonnenbaden denkt niemand mehr. Ich ziehe die Kapuze über den Kopf während ich den Wellen zusehe.
Es weht ein rauer Wind, meine Schritte klacken auf den Holzplanken des Stegs. Er führt einige Meter in den See, hier ist das Ende des Weges. Wer den Rand überschreitet taucht in ein anderes Element ein. Wer weiter geht bewegt sich anders fort als in unserer gewohnten Welt. Wer alle Grenzen überschreitet tritt eine Reise in eine fremde Welt an, die wir nicht verstehen.
Ich stehe am Steg, blicke hinüber zum anderen Ufer. Unter mir schlagen die Wellen an die Pfosten. Wie mag es dort drüben wohl sein, in dieser anderen Welt? Der schneidige Wind fährt wieder in die Wellen. Der Weg hinaus auf den See erscheint rau und unwägbar. Mit Tränen in den Augen gehe ich alleine zurück zum Strand, wieder zurück in die gewohnte Umgebung.
Dort bereiten Kitesurfer gerade ihre bunten Schirme vor. Sie wollen mit ihren Boards über die Wellen springen. Sie wollen dorthin, wo mir der Weg gerade noch unwägbar erschien. In das Element, das die Welten trennt. Ihre bunten Schirme fliegen durch die Luft, werden von der Kraft angetrieben, die mir die Tränen in die Augen treibt.
Der Wind zerrt an den Schirmen, wie bunte Tupfen schwirren sie fröhlich in der Luft. Es ist ein Spiel der Kräfte zwischen Wasser, Wind und Mensch. Wir denken alles im Griff zu haben, die Elemente beherrschen zu können. Das Spiel des Lebens planen zu können.
Eine Windböe zieht einen der fröhlichen, tanzenden Schirme immer weiter hinaus aufs Wasser. Aus der Fröhlichkeit wird plötzlich Angst, Schmerz und Trauer. Der bunte Punkt wird immer kleiner und entschwindet am Horizont, irgendwo hin auf die andere Seite des See. Ans andere Ufer, das für mich nicht erreichbar ist. Und von dem es keine Rückkehr gibt.
Es schmerzt der eisige Wind im Gesicht, die Augen tränen. Es ist still, nur die Wellen rauschen. Ich blicke hinaus auf den See und suche vergeblich den bunten Punkt am Horizont. Aber einzig was bleibt ist die Erinnerung.
Im Gedenken an meinen Neffen Manuel.