Update vom 6.10.2020: Wenn Du aktuell oder in absehbarer Zeit nach Ecuador reist, beachte bitte die aktuelle Situation beim Thema neuartiges Coronavirus (Covid-19). Neben dem gesundheitlichen Aspekt kann es auch Einschränkungen bei der Reise und der Einreise geben.
Aufgrund von Covid-19 sind Zugreisen in Ecuador bis auf weiteres leider nicht möglich.
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Ich höre sie schon von weitem pfeifen und schnaufen, die Dampflok. Sie zieht den Tren Crucero in den Bahnhof Riobamba.
Die Hälfte der viertägigen Bahnreise durch die Anden in Ecuador haben die Passagiere schon hinter sich. Von Durán in der Nähe der Küstenstadt Guayaquil führte die Reise bis in die Hauptstadt Quito in 2.850 Metern Höhe.
Zuerst fährt der Zug durch fruchtbare Landschaften, bald schon sind die Anden erreicht und die Reise folgt dem Schienenstrang rund um die „Nariz del Diablo“, die Teufelsnase.
Doch es bleibt spektakulär, der höchste Punkt dieser Schienenkreuzfahrt wird erst am dritten Tag erreicht.
Um kurz nach 7 Uhr steht der rot-schwarz lackierte Zug am Bahnhof in Riobamba bereit. Am dritten Reisetag zieht wieder eine Diesellok die vier Waggons des Tren Crucero durch die Anden.
In der Estación Riobamba steht am Morgen nur der Sonderzug, der reguläre Eisenbahnbetrieb spielt in Ecuador heute kaum noch eine Rolle.
Der Bahnbetrieb ist auf den Tourismus ausgelegt und das „Steckenpferd“ ist der Tren Crucero, der auf der ehemaligen Hauptstrecke das Land durchquert.
Vor dem Bahnhof in Riobamba bewegen sich Tänzer rhythmisch zu lauter Musik. Ich überlege kurz, ob ich hier auf eine sportliche Bahnreisegruppe treffe, die den Morgensport am Bahnhofsvorplatz absolviert.
Aber nein, die Aerobic-Tänzer hat nichts mit dem Tren Crucero zu tun. Hier kann jeder mitmachen, ich werde gleich zum Morgensport eingeladen. Leider habe ich für Aerobic keine Zeit, mein Zug fährt gleich ab.
Auf der anderen Seite des Platzes zeigt sich das Bild ruhiger. In der Morgensonne strahlt der abfahrtbereite Zug mit der weißen Kirche um die Wette. Das geradlinige Karomuster am rechteckigen Platz wird nur von den Gleisen der Eisenbahn durchschnitten, der Tren Crucero steht prominent quer über die Felder.
Beim Einsteigen begrüßt mich die Crew mit einer kleinen Aufmerksamkeit, im Zug bekomme ich dann ein zweites Frühstück. In der Bar wird Kaffee in der Espressomaschine zubereitet, kleine Snacks und Obst kann man sich dort den ganzen Tag holen.
Mit mir reisen 29 andere Passagiere hinauf zum höchsten Punkt der Bahnstrecke. Er liegt auf knapp über 3.600 Metern in Urbina. Es gibt nur wenige Züge weltweit, die in solchen Höhen unterwegs sind.
Langsam setzt sich der Zug in Bewegung, der Zucker rieselt aus dem Säckchen in meinen Cappuccino. Mir fallen sofort die vielen winkenden Menschen entlang der Strecke auf. Züge sind hier in Ecuador scheinbar etwas ganz besonderes. Der Tren Crucero bringt auf den Bahnübergängen den Verkehr für kurze Zeit zum erliegen, langsam fällt der Milchschaum beim Rühren in meinem Cappuccino zusammen.
Ich genieße den Ausblick von meinem Sitzplatz im Waggon im Spanischen Kolonialstil auf die hohen, manchmal schneebedeckten Vulkane. Riobamba liegt auf 2.750 Meter Seehöhe, bis zum nächsten Stopp am Fuße des Chimborazo müssen noch 850 Höhenmeter überwunden werden.
Im Zug sind solche Aufstiege mühelos zu bewältigen, in gemütlichem Tempo windet sich der Zug immer weiter in die Höhe. Ich trinke den ersten Schluck Kaffee und wische den Milchschaum von den Lippen.
Die Eisenbahnstrecke von Guayaquil nach Quito wurde zwischen 1873 und 1908 in Kapspur (1.067 mm Spurweite) erbaut. Durch die schmale Spur können die Schienen in engeren Kurvenradien als bei Normalspur verlegt werden, im Gebirge ist das ein Vorteil.
Anders als bei der Teufelsnase führt die Strecke nach Urbina nun nicht entlang von steilen Abhängen, denn das Gelände steigt gleichmäßig an.
Manche Reisende werden mit zunehmender Höhe etwas müde oder unkonzentriert. Das sind noch ungefährliche Anzeichen der Höhenkrankheit. Der Körper gewöhnt sich langsam an den niedrigeren Luftdruck. Weiß strahlt der Schnee am Chimborazo im Morgenlicht.
Mit rund 6.300 Metern ist er der höchste Berg Ecuadors. Der Gipfel des Chimborazo ist, wegen seiner Nähe zum Äquator, jener Punkt der Erdoberfläche, der am weitesten vom Erdmittelpunkt entfernt ist. Würde man den Erdmittelpunkt als Bezugspunkt nehmen, so wäre der Chimborazo stolze zwei Kilometer höher als der Mount Everest.
Einer, der den schneebedeckten Vulkan wie seine Westentasche kennt ist Baltazar Ushca. Während andere schon längst im Schaukelstuhl die Ruhe genießen, erklimmt der 70jährige nach wie vor den Chimborazo.
Sein Gesicht ist von Wind, Schnee und der starken Sonne gezeichnet. Tiefe Falten verlaufen über das braune Gesicht.
Auf steilen Wegen klettert er bis auf 4.800 Meter hinauf. Dort schneidet er 20 bis 25 Kilo schwere Blöcke direkt aus dem Eis. Er ist der letzte Eishändler Ecuadors, ein aussterbendes Gewerbe.
Auch heute, wo Eisschränke überall für die nötige Kühlung sorgen, sind Baltazars Eisblöcke wegen ihrer Reinheit begehrt. Das Eis vom Chimborazo hat Trinkwasserqualität und kann für Shakes oder Speisen verwendet werden. Bei jeder Besteigung tragen drei Esel insgesamt sechs Eisblöcke vom Vulkan herunter. Am Markt von Riobamba verkauft der Eishändler die Blöcke für jeweils 5 US-$.
Baltazar Ushca ist berühmt. Mehrere Filme wurden über ihn und seine schwere Arbeit gedreht. Und Reisende mit dem Tren Crucero können mit ihm und seiner Tochter Puruha im Bahnhof Urbina eine Tasse Tee trinken.
Dann geht es wieder langsam bergab, der höchste Punkt der Schienenkreuzfahrt durch Ecuador ist überschritten. Im zweiten Teil erfährst Du wie die Eisenbahnreise mit dem Tren Crucero durch die Anden weitergeht.
Die Erfahrungen, Tipps und Hintergrundinformationen in diesem Blogbeitrag über den Tren Crucero wurden im Rahmen einer individuellen Pressereise auf Einladung von Tren Ecuador recherchiert. Wie immer bleibt meine Meinung in der Berichterstattung davon unberührt.
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